Benedikt – chronisch hinter der Kamera
Benedikt Ziegler
Wohnort: Dortmund
Alter: 29 Jahre
Beruf: Fotograf (freiberuflich tätig)
Rheuma: Rheumatoide Polyarthritis
„Jetzt nochmal in die Kamera schauen, bitte“: Es ist der Satz, den Benedikt Ziegler bei jedem Foto-Shooting sagt. Fertig, vorerst. Denn nun lässt er die Fotos erstmal im Schnelldurchlauf für sich über den Bildschirm seiner Digitalkamera sausen. Seine Miene spiegelt die Frage wider, die er sich jedes Mal stellt: Ist was Brauchbares dabei? Zeigen die Motive, was er zeigen möchte?
Mit seinem Rheuma arrangiert
Der 29-Jährige hat Fotografie an der FH Dortmund studiert. Seit 2015 ist er als freiberuflicher Fotograf tätig, eine Festanstellung hat er nie angestrebt. Ein mutiger Schritt, denn Benedikt hat Rheuma – juvenile rheumatoide Polyarthritis –, seit er zehn Jahre alt ist. Es begann mit einem geschwollenen Knie. Andere Gelenke folgten. „Damals habe ich das Rheuma als sehr schmerzhaft und einschränkend erlebt. Ich war vorher ein wilder Junge. Jetzt konnte ich nicht mehr rumrennen“, erinnert er sich.
Rheuma bei Berufswahl auf eigenwillige Art berücksichtigt
Andere Betroffene mit so einer Diagnose suchen bei der Berufswahl eher den Weg in die sichere Anstellung. „Ich weiß, aber mein Wunsch war es, Fotograf zu werden. Natürlich ist mir bei der Berufsfindung nahegelegt worden, meine chronische Erkrankung zu berücksichtigen.“ Das hat er getan – aber auf andere Weise, als es seine Ratgeber gemeint haben: Er hat Rheuma in Szene gesetzt, zum Beispiel bei seiner preisgekrönten Bachelor-Arbeit „Kinderrheuma ist, was Du draus machst“.
Nach Shootings Schmerzen und Erschöpfung
Benedikt greift zur anderen Kamera. „Dieses Jahr feiere ich mein 20-jähriges Rheuma-Jubiläum“, sagt er. „Natürlich merke ich nach zehn Stunden Shooting vermutlich mehr als jemand, Gesundes Erschöpfung und Schmerzen, aber ich kann meine Aufträge steuern. Ich habe diesen Weg gewählt, mit dem Wissen, dass es keine finanzielle Sicherheit gibt, aber ich viel Freiheit in der Gestaltung meines Tagesablaufs und meiner Aufträge habe.“
Gedanken über berufliche Alternativen
Benedikt ist aber auch Realist: „Ich gehe davon aus, dass mein Handgelenk und Fußgelenk irgendwann versteift werden müssen und ich ein künstliches Schultergelenk brauche, aber ich bestimme den Zeitpunkt und noch ist das lange nicht aktuell. Aber selbstverständlich mache ich mir Gedanken über Alternativen.“ Er möchte n der Medienbranche eine Nische finden. „Ich habe ja bereits den Bereich Gesundheit, speziell die Rheuma-Landschaft, für mich entdeckt – denn es ist für mich legitim, durch meine Selbstbetroffenheit Vorteile zu haben.“ Hinter der Kamera stehen müsse er nicht sein Leben lang. „Wenn das nicht mehr geht, kann ich mir auch sehr gut Lehrtätigkeiten vorstellen.“
Interview mit einem Auftraggeber
Sebastian Grütz ist einer der Auftraggeber von Benedikt Ziegler. Er ist Inhaber eines Unternehmens, das bundes- und europaweit Foto-, Malreisen und Workshops anbietet. Wir haben mit Sebastian Grütz gesprochen:
Herr Grütz, war das Rheuma ein Thema, als Benedikt sich vor acht Jahren als Praktikant bei Ihnen beworben hat?
Ja. Ich war beeindruckt, wie bestimmt und offen er damit umgegangen ist. Er war nicht leidend, sondern sehr determiniert. Das Rheuma ist Teil seiner Persönlichkeit. Dieser Umgang mit seiner Erkrankung hat ihn – auch als Fotograf – ausgezeichnet und war sicher ein Grund, ihn als Praktikant einzustellen und ihn später als Freiberufler immer wieder zu beauftragen.
Werden Sie ihn auch noch beauftragen, wenn ihm das Rheuma mehr zu schaffen macht?
Ich habe mitbekommen, dass Benedikt sich selbst aktiv Gedanken macht, was er dann einmal machen kann. Es wäre schade, ihn für die Firma zu verlieren, denn er kann einen Mehrbeitrag liefern. Es ist daher höchst eigennützig, dass wir seinen Job bei uns weiterentwickeln und er künftig selbst beispielsweise Reisen managen kann.
Haben Sie einen Appell an andere Arbeitgeber, Menschen mit Rheuma zu beschäftigen?
Ich möchte meinen Appell nicht an andere Chefs richten, sondern an Kranke. Sie sollen so offen mit ihrer Erkrankung umgehen, dass sie transparent ist und ihr Nutzen für die Firma deutlich wird. Ich kann noch soviel Verständnis haben als Chef, aber ich wäre nur Wohltäter. Das reicht nicht. Der Betroffene muss aus der Krankheit, der vermeintlichen Schwäche, eine Stärke machen, um zu bestehen.