Magdalena – chronisch in Bewegung
Magdalena Beeh
Wohnort: Selsingen
Alter: 35 Jahre
Beruf: Ergotherapeutin
Rheuma: rheumatoide Arthritis; Lupus Erythematodes
Magdalena Beeh liegt im Bällebad – mit ihrem kleinen Patienten Fynn. Sie deckt ihn mit Bällen zu, lacht. Fynn quietscht vor Vergnügen auf und buddelt sich aus den Bällen hervor. „Hier bin ich“, ruft der Achtjährige, der regelmäßig zur Ergotherapie kommt. „Spaß muss auch sein“, sagt Magdalena, die Fynn zuvor zum Gedächtnistraining nach Ansage von einer CD farbige Punkte hat malen lassen. Der Junge hat dabei zur Verbes-serung der Stifthaltung einen Buntstift mit Griffverdickung benutzt. „Diese Stiftverdickung begleitet mich selbst auch seit meinem 10. Lebensjahr“, sagt Magdalena. Damals, 1994, bekam sie die Diagnose juvenile Arthritis mit undifferenzierter Kollagenose; 2000 erhielt sie die Diagnose Lupus Erythematodes.
Berufswunsch Ergotherapeutin durchgesetzt
„Ich habe eigentlich eine Ausbildung in der Verwaltung gemacht. Aber ich habe schnell gemerkt, dass das nicht meins ist“, berichtet Magdalena von ihren beruflichen Anfängen. Stattdessen hat die 35-Jährige in den Arbeitsalltag ihrer eigenen Ergotherapeutin und eines Rehabilitationszentrums geschnuppert. „Das hat mir so gut gefallen, dass ich auch Ergotherapeutin werden wollte. Die Reaktion meiner Arbeitsagentur-Beraterin war: ,Meinen Sie denn, dass das mit Rheuma geht?’ Wenn ich es nicht ausprobiere, weiß ich es ja nicht, habe ich ihr geantwortet.“ Es geht! Denn nun ist 35-Jährige schon seit acht Jahren Ergotherapeutin – seit fünf Jahren bei Elke Faubel – und möchte das auch bis zur Rente bleiben. „Der Beruf war die richtige Wahl, die Praxis auch, ich habe eine mega-starke Chefin“, sagt Magdalena. Obwohl ihr die durch das Rheuma angegriffenen Finger-, Hand-, Zehen- und Fußgelenke, „wenn ich damit viel mache, schon auch mal weh tun und dick werden“, räumt sie ein.
Bei Beschwerden mit Kollegen tauschen
Morgens um halb acht ist Magdalena da. Dann geht es auf Rundtour. „Vormittags bin ich in der Regel unterwegs, auf Hausbesuchen, vor allem in Seniorenheimen.“ Der Nachmittag gehört den Kindern: „Meine meisten Patienten sind zwischen zwei und 16 Jahren alt, haben Entwicklungsverzögerungen oder das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom“, erklärt sie. „Natürlich landen auch die Rheuma-Patienten meist bei mir. Denn ich weiß ja, wie es sich anfühlt und dass die körperlichen Beschwerden nie aufhören“, meint sie etwas nachdenklicher. „Aber das ist das Tolle in unserer Praxis: Ich selbst kann jederzeit sagen, diese Behandlung, dieser Patient übersteigt meine körperlichen Möglichkeiten und dann tauschen die Kollegen mit mir.“
Interview mit Magdalenas Arbeitgeberin Elke Faubel
Die Ergotherapeutin Elke Faubel hat Magdalena Beeh mit dem Wissen um ihr Rheuma vor fünf Jahren eingestellt. Sie selbst ist seit 30 Jahren im Beruf tätig und hat eine klare Einstellung zur Beschäftigung von Menschen mit chronischer Erkrankung.
Frau Faubel, was fordern Sie Tag für Tag von Magdalena und ihren Kollegen?
Eigenständigkeit. Wer in unserem Beruf keine Eigenständigkeit in den Arbeitsabläufen einbringen kann, ist fehl am Platz. Im Gegenzug versuche ich, meine Mitarbeiter in ihrer Vorgehensweise nicht einzuschränken. Sie können die Therapiestunden flexibel gestalten; sie sind frei darin, das Therapieziel zu erreichen.
Ist Magdalena eine Bereicherung für Ihr Praxisteam?
Ja, definitiv. Durch ihre eigene Erkrankung und durch ihre Ausbildung ist sie in der Lage, zu jeder Übung eine andere Herangehensweise zu finden, kreative Alternativen auszumachen. Mal, weil es der Patient braucht. Mal, weil sie es braucht. Zum Beispiel hat sie einen Patienten mit einem Tennisball massiert, weil es gerade mit der flachen Hand nicht ging. Und je mehr sie hier arbeitet, umso mehr übt sie auch für sich.
Merken Sie Magdalena ihr Rheuma an?
Ich merke natürlich schon von Berufs wegen, dass sie beeinträchtigt ist. Aber sie weiß genau, was sie tun darf und kann und was nicht. Sie kann ihre Erkrankung gut kompensieren. Wir Gesunden überlasten uns da manchmal sogar mehr, haben es dadurch im Rücken und in den Handgelenken.
Was möchten Sie anderen Arbeitgebern als Gedankenanstoß mitgeben?
Wenn man chronisch Kranken mit Vorurteilen entgegentritt, kann man ihre Potenziale nicht entdecken. Ich nehme sie, wie sie sind – und profitiere von ihren persönlichen Erfahrungswerten. Es hat ein Dreivierteljahr gedauert, bis die zurückhaltende Magdalena hier wirklich angekommen ist, erkannt hat, dass sie hier sein kann, wie sie ist. Und nun ist sie mit ihrer Art und ihrer Arbeitsweise mein Diamant geworden..