Eines der größten Probleme beim Erwachsenwerden mit Rheuma ist der Wechsel vom Kinderrheumatologen zum Erwachsenenrheumatologen. Während der Arzt oder die Ärztin in der Kindheit noch alle Gelenke anschaut und sich Zeit nimmt, kann das der Mediziner in späteren Jahren aufgrund eines straffen Zeitplans nicht leisten. Auch muss man den neuen Fachleuten direkt sagen, was Sache ist, da bei einer Standartantwort wie „Mir geht es gut“ keine Nachfrage kommt.
Vor dem Besuch sollten sich Patientinnen und Patienten am besten eine Liste mit wichtigen Dingen wie aktuellen Beschwerden machen, um in der kurzen Zeit nichts zu vergessen. Zudem muss man für sich einstehen und seine Meinung vor den Ärztinnen und Ärzten vertreten können, was mir persönlich anfangs sehr schwerfiel, da ich mich häufig nach der Sprechstunde aufgeregt habe, aber währenddessen nichts sagen konnte.
Auch finanziell ändert sich mit dem Erwachsenwerden einiges, da man ab dem vollendeten 18. Lebensjahr Zuzahlungen zu Rezepten leisten muss – egal, ob es die Spritzen in der Apotheke sind oder die wöchentliche Physiotherapie. Hierbei gibt es von staatlicher Seite den Vorteil, dass man ab einem gewissen Betrag die Zuzahlungen von der Steuer absetzen kann. Außerdem greift ab bestimmten Voraussetzungen die Chronikerregel, nach der Zuzahlungen ab einer nachgewiesenen Höhe nicht mehr zu leisten sind.
Schule, Studium, Beruf
Die nächste Hürde wartet in der Schule. Egal, ob Hauptschulabschluss, mittlere Reife, Fachabitur oder Abitur: Alle Abschlussprüfungen sind stressig und setzen jeden Menschen unter Druck. Eine Hilfe für Rheumatiker kann ein Nachteilsausgleich sein, durch den man zum Beispiel in einer Abiturarbeit mehr Zeit zum Schreiben bekommt. Doch auch nach einer geschafften Prüfung steht direkt die nächste Herausforderung an: Was will ich überhaupt nach der Schule machen?
Mit dieser Frage muss sich jede und jeder beschäftigen, und das kann für junge Rheumatiker aufgrund von körperlichen Einschränkungen schwieriger sein. Bei der Berufswahl sollten zunächst die Interessen betrachtet werden, aber das Thema Rheuma schwebt immer im Hinterkopf und damit die Frage, ob man einen Beruf trotz Krankheit ausüben kann. In seltenen Fällen trifft man auch bei Vorstellungsgesprächen auf das Unwissen mancher Arbeitgeber. In Sachen Berufswahl können die Rehaberater der Agentur für Arbeit helfen, die sich jeden Fall individuell ansehen und zusammen mit der oder dem Betroffenen zu einer Lösung kommen.
Auch die Aktion Luftsprung kann hilfreich sein, da man dort beispielsweise jährlich ein Stipendium an chronisch Kranke vergibt und zudem Workshops anbietet, die einen Einstig in den Berufsalltag oder das Studium erleichtern können. Im Studium und in der Ausbildung ist es ebenso möglich, einen Nachteilsausgleich zu bekommen. Bei Problemen am Arbeitsplatz können wiederum die Schwerbehindertenvertreter helfen, die es in jeder größeren Firma oder Einrichtung geben muss.
Fragen im Privatleben
Auf lange Sicht ergeben sich Fragen, wie das Leben in einer Partnerschaft werden soll – oder mit einer möglichen Schwangerschaft. Oft ist die Partnersuche schwierig, allerdings gilt das für alle Menschen. In Sachen Schwangerschaft bietet die Rheuma-Liga Infoabende an, bei denen die Teilnehmenden ihre Erfahrungen teilen und sich über Möglichkeiten und Risiken austauschen können. Natürlich kann die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Gesundheit zur Herausforderung werden, aber wir alle werden im Lauf der Zeit zu Organisationstalenten.
Zusätzlich kann Rheuma die Psyche belasten. In der Pubertät vergleicht man sich mit anderen, gesunden Gleichaltrigen. Das Anderssein löst negative Gedanken im Kopf aus, da man perfekt sein möchte und nicht beispielsweise unsportlicher als andere. Durch das ständige Vergleichen kommen Selbstzweifel auf. Auch Mobbing ist an mehreren Schulen leider immer noch Alltag, und wir jungen Rheumatiker werden dadurch für manche zur Zielscheibe. Mitunter kann es deshalb zu Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen kommen.
Durch die entzündlichrheumatische Erkrankung fühlt man sich manchmal als Belastung für die Familie und den Partner oder die Partnerin, da andere mehr Rücksicht nehmen müssen. Zuweilen sind chronisch Erkrankte schneller müde als gesunde Menschen, was zur Isolation führen kann, wenn man an manchen Tagen mehr Ruhe braucht.
Weil ich es schaffen kann
Während der Pubertät und des Erwachsenwerdens gibt es viele stressige Situationen, durch die es zu Schüben kommen kann. Für mich war es am schlimmsten, wenn ich Dinge nicht allein erledigen konnte, zum Beispiel nach einer Gelenkpunktion. Die Abhängigkeit von anderen war eine psychische Herausforderung. Warum muss genau ich diese Krankheit haben? Hätte es nicht jemand anderen treffen können? Wird mich jemand so lieben können? Wie soll ich das alles schaffen? Solche Fragen habe ich mir oft gestellt. Bis ich zu der Antwort kam: Weil ich es schaffen kann. Auch wir Rheumatiker, egal, ob jung oder alt, können alles schaffen, wenn wir es wollen. Mit Herausforderungen wachsen wir an unseren Aufgaben und sind stärker, als wir denken.
Autorin: Annika Wirth ist ist Ansprechpartnerin für junge Rheumatiker und Sprecherin im Landesverband Baden-Württemberg.
Dieser Text erschien zuerst in der Mitgliederzeitschrift "mobil", Ausgabe 1-2025. Sechs Mal im Jahr erhalten Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga die Zeitschrift direkt nach Hause (jetzt Mitglied werden).