Vater werden ist nicht schwer …
Wie gründet man als rheumakranker Mann eine Familie? Auf was muss man(n) achten? Hat auch ein betroffener Papa besondere Wünsche und Sorgen? Wir fragten bei Peer nach, der schon als Kind an juveniler idiopathischer Arthritis erkrankt ist.
Heute ist Peer 49 Jahre alt. Seine Frau und er wünschten sich Kinder, doch leider klappte das lange Zeit nicht. Dann erfuhr er, dass bestimmte Medikamente seine Fruchtbarkeit beeinträchtigen können, zum Beispiel Sulfasalazin. Peer ließ sich beraten und setzte das Sulfasalazin ab. Seine Frau wurde umgehend schwanger, doch bedauerlicherweise verloren sie das erste Kind gleich nach der Geburt. Der Wunsch nach einer Familie blieb jedoch und schließlich wurde Peers Frau wieder schwanger – dieses Mal mit Zwillingen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Peer die Vorstellung, mit klaren Regeln und Struktur wäre es kein Problem, den Alltag mit Babys zu meistern. Aber kaum waren die beiden geboren, musste er feststellen, dass sein ganzer Plan nichts wert war: Bei Babys gibt es keine Struktur.
Peer merkte, dass er als Vater einfach nur funktionieren musste, egal, wie müde oder kaputt er sich fühlte. Kinder bringen einen dazu, Dinge zu machen, an die man zuvor nie gedacht hätte, und auch Dinge, bei denen man fest davon überzeugt war, dass man sie aufgrund der Erkrankung nicht mehr tun könne. Selbst Tätigkeiten, bei denen der Arzt eingebläut hatte, man solle sie nicht tun, weil sie weder rückennoch gelenkschonend sind, gehörten plötzlich wieder zum Alltag. Aber was macht man, wenn ein Kind am Boden liegt und weint? Oft bleibt Eltern nichts anderes übrig, als in die Hocke zu gehen und das Kind hochzuheben.
Peers Handgelenke sind mittlerweile versteift. Erst kürzlich hat er sich in einem weiteren Eingriff die Drähte herausnehmen lassen. „Das hat sich gelohnt: Seitdem fühle ich mich wohler und wenn ich mit den Kids spiele, habe ich nicht mehr das Gefühl, dass ein Fremdkörper mich stört“, erzählt er. Peer Hilmers Kinder sind mittlerweile zweieinhalb Jahre alt und kleine Rennprofis mit ihren Bobby-Cars. Aber auch der beste Rennfahrer ist irgendwann ermüdet. Für ihren Vater bedeutet das, dass er die Bobby-Cars tragen muss. Schließlich kann er die Plastik-Autos nicht einfach stehen lassen – auch, wenn das bedeutet, dass er spätestens am nächsten Tag wieder Schulterschmerzen hat. Das strengt an – und manchmal fragt sich Peer, wie es ihm eines Tages mit 70 gehen wird. „Wo kommt dann die Kraft noch her, wenn ich jetzt meine ganze Energie für die Kinder verbrauche?“
Eines ist klar: Jetzt steht nicht mehr seine Krankheit im Vordergrund, sondern die Kinder. Werdenden Vätern ist das oft nicht so klar: Mit der Geburt eines Kinds kommt ein Wesen in ihre Intimsphäre, das alles durcheinanderbringt, Energie klaut und überdies jede Menge Krankheitser reger vom Spielen und aus der Kita mit nach Hause bringt. „Das macht mir schon manchmal Sorgen“, gesteht er. „Immunsuppressiva und kranke Kinder, wie soll das zusammen gehen?“ Soll er sich zurückziehen und auf Abstand gehen? Gar einen Mundschutz nehmen, um sich nicht anzustecken? Oder ist es alles egal, weil man sich entweder schon angesteckt hat, wenn die Kinder krank sind – oder eben nicht? Man kann sich dagegen nicht wirklich schützen. Ich kenne Peers Sorgen nur zu gut: Als mein Sohn in den Kindergarten kam, war ich drei Jahre lang öfter krank als mein eigenes Kind.
Immerhin: Peer Hilmer hat es geschafft, für sich zweimal pro Woche Freiräume zu schaffen und seine Akkus aufzuladen. An diesen Tagen geht er schwimmen, macht seine Therapie und versucht, für sich Zeit zu finden. Denn er weiß, die nächste Herausforderung wartet auf ihn. Spätestens dann, wenn die Zwillinge Fahrradfahren lernen. Er selbst fährt nicht mehr gern Rad, da seine Kniegelenke danach häufig streiken. Aber ich bin mir sicher, er wird auch dafür wieder eine Lösung finden. Denn trotz aller Widrigkeiten: „Mit Kindern macht plötzlich alles in meinem Leben einen Sinn“, stellt er fest. Als zweifache Mutter denke ich, dass das genau der Grund ist, wieso man sich auf das Wagnis Familie einlassen sollte.
Natascha Schwenk, mobil-Redaktionsmitglied, hat mit Peer gesprochen. Beide kennen sich schon seit vielen Jahren.